3. LetoS SS 24
Der 5. Juli 2024 sah ein kontinental bedeutendes Großereignis von außerordentlichem öffentlichen Interesse: Es fand nämlich der bereits 3. Berliner Leseabend der toten Sprachen (LetoS) statt. Außerdem spielte zeitlich parallel Deutschland gegen Spanien im Viertelfinale der EM.
Eröffnet wurde das vielfältige Programm in bester indogermanistischer Manier mit dreierlei Vortrag der Schleicher'schen Fabel, deren verschiedene Iterationen den jeweiligen Forschungsstand des rekonstruierten Urindogermanisch widerspiegeln. Vorgetragen wurden die von August Schleicher selbst komponierte Urfassung durch Theresa Roth sowie die modernen Varianten Rosemarie Lührs durch Henrik Hornecker und Frederik Kortlandts durch Kierán Meinhardt.
Es folgte die dramatische Lesung eines Berichts über die missglückte Belagerung der Stadt Uršu auf Akkadisch, untermalt mit ausschmückenden Bildern und mit passenden Requisiten vorgetragen von Lisa Wilhelmi und İlgi Gercek.
In bester LetoS-Tradition hatte auch der Śānti-Chor wieder einen Auftritt und besang in einem vedischen Hymnus Uṣas, die altindische Göttin der Morgenröte.
Göttlich verehrend ging es weiter mit einem neuägyptischen Lobpreis der Sonne, das heißt einem Ausschnitt eines inschriftlich überlieferten Gebets, für das Anne Grischeck, Fiona Burdette und Thordis Antonia Reuter eine musikalische Bearbeitung für Gesang und Cello erstellt hatten und so den stummen Text eindrucksvoll erklingen ließen.
Ebenfalls sonnenverehrend wenn auch weniger musikalisch war die anschließende Darbietung des ersten Kapitels des Buchs Kohelet auf Hebräisch von Kierán Meinhardt.
Dafür waren die beiden letzten Beiträge vor der Pause wieder umso musikalischer: Nachdem Sebastian F. Seeber mit gitarrenbegleiteten altgriechischen und hebräischen Liedinterpretationen eine wahre Achterbahnfahrt der Gefühle von melancholisch-wehmütig bis ausgelassen-feierlaunig auslöste, leitete Stephen Talarman einen kleinen Chor sowie den gesamten Saal dabei an, zu einer von ihm komponierten Melodie das Carmen saeculare von Horaz zu singen und brachte so den ersten Teil zu einem feierlichen Abschluss.
Lateinisch blieb es auch nach der Pause zunächst, als Till Kulawik einen Bericht von Plinius dem Älteren über exotische Tiere im Original vortrug.
Tänzerisch wurde es kurz, als Beatrice Yefimov das Dhyana Ślokam im altindischen Erzähltanz Bharatanatyam nach einer theoretischen Einführung vortanzte.
Gewissermaßen ans andere Ende des (alt-)indogermanischen Sprachgebietes führte der nächste Beitrag von Matthias Donners mit der Erzählung von der (ersten) Geburt des irischen Nationalhelden Cú Chulainn auf Altirisch.
Geographisch sprunghaft folgte Alex Kohls Bericht über die Schaffung der mandschurischen Schrift – natürlich auf Mandschurisch.
Als vorletzten Beitrag präsentierten Studierende und Lehrende der historischen Germanistik eine „neuentdeckte“ mittelhochdeutsche Fassung der Geschichte von Max und Moritz, hinterlegt mit den altbekannten Zeichnungen von Wilhelm Busch.
Dem Abend die Krone bzw. einem Pfahl ein Opfer setzte der letzte Beitrag auf: Eine Episode aus den vielgestaltig überlieferten Erzählungen über den historischen Drakula inszenierte eine Gruppe Studierender der Indogermanistik, und zwar gleich zweisprachig mit frühneuhochdeutschem Gesang und altrussischem Schauspiel.