Sprach- und literaturwissenschaftliche Fakultät - Historisch-vergleichende Sprachwissenschaft

4. LetoS WS 24/25

Letos & Love – Zum Tag der Liebe genau, dem 14.02.2025, konnte man bei uns den 4. Berliner Leseabend der toten Sprachen (LetoS) erleben. In 13 verschiedenen, mehr oder weniger toten, Sprachen fand jegliche Art der Liebe bei uns Ausdruck – denn Liebe transzendiert sprachliche und zeitliche Grenzen.

Als nun schon fester (und berühmter) Bestandteil eigentlich sämtlicher Events der Indogermanistik durfte der Śānti-Chor mit einer altindischen Hymne über das Aśvamedha, ein Pferde-Opferritual, diesen Leseabend einleiten. 

Dass Liebe(skorrespondenz) nicht nur im modernen Kommunikationszeitalter eine tricky Angelegenheit sein kann, da analoge Verhältnisse oft mit zusätzlichen Erschwernissen einhergingen, zeigten uns sehr anschaulich Liebesbriefe aus altassyrischer Zeit, vorgetragen auf Akkadisch von Ayşe Özler und Johannes Felmy. Die Klagen über die Abwesenheit einer geliebten Person waren natürlich auch heute noch absolut relatable: Wer von uns wäre nicht traurig, wenn er niemanden hat, „der ihm den Teller vorsetzt“?

Weiter ging es mit einem musikalischen Take zur alttestamentlichen Liebeslyrik mit Auszügen aus Mendelssohn Bartholdys »42. Psalm«, übersetzt und gesungen auf Hebräisch von Anne Grischeck, instrumental begleitet vom Rest unseres Indogermanistik-Quartetts. Tragisch hallte hier der Zweifel an Gottes Liebe und die gleichzeitige Sehnsucht danach wider.

 

 

 

 

 

 

 

Klassisch-Gräzistisch machte uns Sebastian Zellner in einer Blitz-Vorlesung mit der Rolle der Hände in den Argonautika des Apollonios Rhodios bekannt - nicht nur, aber auch in der Love-Story zwischen Jason und Medea. Neben allerlei „chirurgischen“ Wortspielen sahen wir auf einem wilden Ritt durch das Epos zahlreiche Beispiele von ergriffenen und ergreifenden, zupackenden und leeren Händen.

Den (sprach-)kunsthandwerklichen Kuriositäten der homerischen Beschreibung des berühmten Nestorbechers ging Friederike Brunzema interaktiv in ihrem Beitrag nach, indem sie den gelehrten Interpretationen antiker Kommentatoren einige künstlerische Assoziationen gegenüberstellte, die LetoS-Teilnehmende im Vorfeld „gespendet“ hatten.

Genuin romantisch wurde es endlich mit Angelo Papenhoffs Rezitation des Hohenliedes auf die Liebe (1. Korintherbrief 13) auf Gotisch, das die Liebe zur Liebe selbst besingt: „Wenn ich in den Sprachen der Menschen und Engel redete, hätte aber die Liebe nicht, wäre ich dröhnendes Erz oder eine lärmende Pauke.“

Von einer Vision geblendet, gaben sich ein Meister und sein Schüler, verkörpert von Tonio Sebastian Richter und Janik Petersdorff, im warmen Licht des achten und neunten Kreises des Himmels einen (neu-)platonischen Kuss und ließen das Publikum an einer eindrucksvollen geistigen Kopulation teilhaben.

Einen Abstieg in die Hölle wagte Julia Furman mit ihrer visuell eindringlich-grausig untermalten Präsentation eines Gespräches zwischen Jesus und einem wiederbelebten Schädel. Letzter wusste so einiges über die Topografie der Hölle und die für verschiedene Gruppen von Sündern vorgesehenen Strafen zu berichten.

Gleichermaßen intensiv ging es weiter mit dem Vortrag von Johannes Schütz, der uns in seinem besten Altenglisch die Geschichte vom Kampf des Helden Beowulf mit dem grausigen Ungeheuer Grendel dargeboten und gleichzeitig gezeigt hat, dass sich KI nicht davor scheut die brutalsten Bilder zu generieren.

Nach dieser Packung Mord und Totschlag wollten wir aber nochmals zurück zum eigentlichen Thema jenes Abends kommen und zum Glück gibt es da neben dem überwiegenden Teil eher braver buddhistischer Literatur (Klosterregeln, Lehrgedichte und Buddhalegenden) auch ein besonders tragisches Liebesgedicht in der Überlieferung Westtocharischen (auch Tocharisch B). Vorgelesen wurde dies von Lukas Kahl und Theresa Roth.

Die arabische Lyrik ist bekannt dafür, mit Worten die lieblichsten Bilder zu malen: „Ich schwöre, nie ging eine Sonne auf noch unter, ohne dass deine Liebe an meinen Atem sich band“. Mit seiner Übersetzung mehrerer Liebesgedichte an Gott von Manṣūr Al-Ḥallāǧ gelang es Kierán Meinhardt, diese Bilder im Deutschen nachzumalen und die Teilnehmenden damit zu berühren.

„Mein Auge ruht auf dir allein, als wärest du ihm ein Magnet. Folgt überall den Schritten dein, wie Beiwort stets mit Hauptwort geht“ – Die wohl romantischste Art und Weise, seine Liebe gleichzeitig mit naturwissenschaftlichen UND linguistischen Mitteln zu gestehen stammt ebenfalls aus einem arabischen Text und wurde uns von Heide König nahgebracht. Das Zitat lässt sich im Ibn Hazms Werk „Das Halsband der Taube – Über die Liebe und Liebenden“ finden.

Wie bringt man Thor, den Gym-Bro der altnordischen Mythologie, dazu sich in ein Brautkleid zu werfen? Man macht es wie Thrymr: Man stiehlt seinen Hammer und verlangt als Tauschhandel die Hand einer seiner Töchter. Thors emanzipierte Töchter haben da natürlich gar keinen Bock drauf. Loki, hilfreich wie eh und je, schlägt vor, Thor solle sich selbst einfach als Braut ausgeben. Und so ist Thor am Ende mit seiner größten Liebe wieder vereint - seiner Hammer(braut). Diese Interpretation des Þrymskviða wurde uns von Daniel Ebner, Sven Kraus und Ela Sefcikova dargebracht.

 

 

In einem weiteren musikalischen Beitrag, gab uns Ramūnė Markevičiūtė einen (a capella) gesungenen Einblick in die (neo-)altpreussische Liebe zur Natur zum Besten. Die beiden Lieder an die Sonne 'Mila swaiksta Saulika' und 'Saulika patekka' sind ursprünglich litauischen Dainos entlehnt und im Rahmen eines Projektes ins (gesprochene) Altpreußisch übertragen worden.

 

 

 

Zum Abschluss des Abends schlug Mortimer Drach eine Brücke zurück ins Alte Testament und trug ein Florilegium aus dem Hohelied Salomos auf Altlitauisch (ediert nach dem Manuskript von Jonas Bretkūnas' altlitauischer Bibel aus dem 16.Jh.) vor.

 

 

 

Mit einem großen Applaus für alle Vortragenden und einem herzlichen Dank an die Unterstützung des Berliner Antike Kollegs endete dieser Abend, der dank der zahlreichenden Interessierten und dem gut gefüllten Hörsaal einmal mehr gezeigt hat, wie groß die Liebe zu toten Sprachen in Berlin ist. Wir freuen uns schon auf den nächsten LetoS!